Tisch mit Cluster zum Schreibprozess
Bild: Schreibzentrum Uni Konstanz

Schreiben sichtbar machen

Wir bieten Arbeitsmaterial zum Schreiben in Ihrem Kurs.

Durch die Einteilung der Aufgabenstellung in mehrere Teilschritte wird Denkarbeit sichtbar und bewertbar gemacht.

Die im Folgenden dargestellten Arbeitsschritte fördern und fordern studentische Eigenleistung. KI-Schreibools können je nach Lernziel in jedem Arbeitsschritt sinnvoll eingesetzt werden, müssen dazu aber kritisch reflektiert und an den Kontext angepasst werden. Der Einsatz von und der Umgang mit KI-Schreibtools ist Teil unserer Lehrberatungen und Lehreinheiten. Wir arbeiten dabei im Rahmen der aktuellen Richtlinien der Uni.

Zwar unterscheidet sich die konkrete Ausgestaltung im Schreibprozess nach Fach, Studienphase und individueller Arbeitsweise. Sie lassen sich jedoch grundlegend an einem mehrstufigen Modell (Girgensohn & Sennewald, 2012, S. 102) aufzeigen.

Mehrstufiges Schreiben

Orientieren und Planen und Auswerten und Strukturieren stellen wichtige Vorarbeiten für den eigenen Text dar: Sehr viel Denk- und Textarbeit wird hier geleistet. Sie können sehr gut bereits während des Seminars im Semesterverlauf erarbeitet werden.

Aber auch beim Rohfassung schreiben und Feedback einholen und Überarbeiten entwickeln sich Denkprozesse weiter. Dabei entstehen zuerst sogenannte Ich-Texte (Wolfsberger 2016), die stark am eigenen Erkenntnisprozess ausgerichtet sind. Diese werden durch den Einbezug von Feedback überarbeitet und auf die Adressat:innen ausgerichtet.

Korrigieren und Abschließen beinhaltet Arbeitsschritte vor und nach der Abgabe: die Korrektur des Textes und die Rückmedung auf den abgegebenen Text. Denn nach der Abgabe ist die Schreibentwicklung nicht abgeschlossen. Eine Besprechung des Feedbacks von Lehrenden ist für weitere Texte der Studierenden bedeutsam und Voraussetzung für die weitere Entwicklung im wissenschaftlichen Schreiben.

Orientieren und Planen

In dieser Phase geht es darum, Studierende zu aktivieren, die Relevanz des Themas zu verdeutlichen und ihr Vorwissen mit dem Fachthema zu verknüpfen, den eigenen Beitrag zu klären, die Aufgabenstellung transparent zu machen und Erwartungen zu klären.

Dies kann z.B. durch die Methoden Genre Awareness und Genre Analysis geschehen, denn Studierende lernen durch das angeleitete Lesen von Fachtexten auf einer Metaebene, wie diese funktionieren und wie sie selbst Texte generieren können. Ebenfalls kann hier die Relevanz der Aufgabe anhand fachspezifischer Beispiele und deren Ausgestaltung gezeigt werden. Entscheidend ist hierbei, dass die gestellte Aufgabe einen Bezug zum studentischen Arbeiten des Fachs oder zum angestrebten Berufsbild hat. Studierende können dann in die Themenfindung einsteigen und beispielsweise mit unserem Arbeitsmaterial zu Cluster, Gliederung und Mindmap arbeiten.

Auswerten und Strukturieren

Hier lernen Studierende, für ihr Fach relevantes Wissen zu finden (z. B. durch Recherche) oder zu erheben (z. B. durch Forschung, Laborversuche), dabei den Zugang über eine fachspezifische Frage bzw. Arbeitshypothese zu finden und deren Beantwortung bzw. Überprüfung zu planen. Dabei sollten ausformulierte Vor- / Hilfstexte entstehen und nicht nur Schlagwörter.

Um die gesammelten Ideen auszuwerten und zu strukturieren, eine Forschungsfrage oder eine Hypothese zu finden und einen ersten roten Faden zu entwickeln sind Techniken wie Dreischritt, Blitzexposé, Storytelling oder lebendige Gliederung sinnvoll. Wie groß die Phase des Planens ist, kann fachspezifisch variieren: während in einigen Fächern Gedanken erst beim Schreiben entwickelt werden, muss in anderen Fächern das Ziel des Textes schon erkannt worden sein. Entsprechend ist es sinnvoll, auf Hilfstexte wie (Versuchs-)Protokolle, Notizen, Exzerpte und Präsentationen zu verweisen. Auch Diskussionen im Seminar können eine hilfreiche Grundlage für die eigene Positionierung sein.

Rohfassung schreiben

Studierende sollten dafür sensibilisiert werden, dass der erste Entwurf ihren eigenen Denkprozess aufzeigt und in erster Linie für sie selbst geschrieben wird. Das Rohtexten bezieht sich hierbei nicht auf die ganze Arbeit, sondern kann auch auf einzelne Abschnitte bezogen werden.

Schreibzeiten sind eine sinnvolle Ergänzung in dieser Phase, die Studierende ermutigt, schnell etwas aufs Papier zu bringen, das nicht perfekt sein muss, sondern den Grundstein für Feedback und Überarbeitung legt. Auch Lehreinheiten durch das Schreibzentrum können hier eingesetzt werden, um das Schreiben mehrerer Versionen anzuleiten und Argumentationsmuster zu diskutieren. Studierende profitieren zudem vom Vorbild der Lehrenden, wenn an dieser Stelle z.B. Rohtexte im Vergleich zur Endversion gezeigt werden und darüber gesprochen wird, welche Wege dahin geführt haben.

Feedback einholen und Überarbeiten

Ohne einen ersten Wurf kann keine Überarbeitung geschehen. Die entstandenen verschriftlichten Gedanken müssen adressatenorientiert und kritisch prüfend weiterentwickelt werden. Dabei muss uns bewusst sein, dass es zwei Ebenen gibt, auf denen überarbeitet wird. Zunächst geht es um higher order concerns (Frank et al., 2013, S. 71) wie Inhalt und Struktur. Besonders fruchtbar ist in dieser Phase angeleitetes Peer-Feedback im Kurs oder mit den ausgebildeten Schreibberater:innen. So können Studierende die Leserperspektive einbeziehen. Die so entstandenen Überarbeitungen sind eine gute Grundlage für Sprechstunden mit Lehrenden.

Dies kann schriftlich angeleitet werden oder in Form von Präsentationen stattfinden. Eine Technik auf Textebene ist das Reverse Outlining, das die Struktur des Textes spiegelt und den Verfasser:innen zeigt, ob ihre Intention verstanden wurde.

Die Einarbeitung des Feedbacks geschieht immer in der Verantwortung der Autor:innen, die entscheiden müssen, was sie wie in ihrem Text umsetzen werden.

Korrigieren

Studierende prüfen in einem weiteren klar angeleiteten Arbeitsschritt die later bzw. lower order concerns (Frank et al., 2013, S. 71): Sprache, Stil und Formalia. Wir unterstützen dise Tätigkeiten mit Selbstlernkursen.

Auch hier ist Peer-Feedback für beide Seiten produktiv, da man Fehler in fremden Texten oft leichter identifiziert als in den eigenen. Dies kann z.B. in Form einer Übung angeleitet werden, die Korrekturlesen vermittelt.

Rückmeldung

Eine transparente Rückmeldung mit Rückbezug auf die Aufgabenstellen von Lehrenden, aus der Studierende Konsequenzen für ihr weiteres Lernen ziehen können, ist der letzte Schritt. Dies kann schriftlich oder in einem Gespräch über den Text erfolgen.

Hier erhalten Studierende die Gelegenheit ihr Vorgehen zu reflektieren, ihren Beitrag zum Thema zu erläutern, zu begründen und zu verteidigen. Nächste Schritte und Verbesserungen im Denk- und Schreibprozess können angestoßen werden.

Hier kann die Peer-Schreibberatung nach Erhalt der Rückmeldung eine Anlaufstelle sein, um Konsequenzen aus dem Feedback abzuleiten und in konkrete Schritte für kommende Texte umzusetzen.

Mit der Aufschlüsselung von Teilschritten und Teilkompetenzen behält studentisches Schreiben auch mit KI seinen hohen Wert: Wissenschaftliches Arbeiten wird reflektiert und eingeübt, Fehler dienen dem Lernzuwachs und Feedback wird konstruktiv und sichtbar umgesetzt.

Nicht zuletzt leistet dieser Ansatz einen Beitrag zu zukunftsfähiger akademischer Bildung: Kritisches Denken und der Umgang mit neuen Technologien wird geschult, indem klar kommuniziert und veranschaulicht wird, dass die Verantwortung für die Texte weiterhin bei den Autor:innen liegt. Unterstützt wird dies durch relevante und authentische Schreibaufgaben, die Anreiz bieten, Wissen nicht bloß zu reproduzieren sondern zu generieren sowie durch reflexive Texte und Gespräche unter Peers und mit Lehrenden, die in die Bewertung einfließen können.

Literatur:

  • Flower, L. (1979). Writer-Based Prose: A Cognitive Basis for Problems in Writing. College English, 41(1), 19-37. www.jstor.org/stable/376357
  • Frank, A., Haacke, S. & Lahm, S. (2013). Schlüsselkompetenzen: Schreiben in Studium und Beruf (2., aktualisierte und erweiterte Auflage). Verlag J.B. Metzler.
  • Girgensohn, K. & Sennewald, N. (2012). Schreiben lehren, Schreiben lernen: eine Einführung. Wiss. Buchges.
  • Harris, M. (1995). Talking in the Middle: Why Writers Need Writing Tutors. College English, 57(1), 27–42. www.jstor.org/stable/378348
  • Wolfsberger, J. (2016). Frei geschrieben: Mut, Freiheit und Strategie für wissenschaftliche Abschlussarbeiten. (4. Auflage). Böhlau.