Hinweise und Regelungen zum verantwortungsvollen Umgang mit Forschungsfreiheit und Forschungsrisiken an der Universität Konstanz

Der Senat der Universität Konstanz hat aufgrund von § 19 Abs. 1 Satz 1 Landeshochschulgesetz (LHG) in seiner Sitzung am 22. Juli 2015 die nachfolgenden Hinweise und Regelungen zum verantwortungsvollen Umgang mit Forschungsfreiheit und Forschungsrisiken an der Universität Konstanz beschlossen:

I. Einführende Hinweise

A. Forschungsfreiheit und Verantwortung des Wissenschaftlers und der Wissenschaftlerin

Forschung ist eine der wesentlichen Grundlagen für die Fortschritte der Menschheit. Sie dient der Wissensvermehrung und fördert Gesundheit, Wohlstand und Sicherheit der Menschen sowie den Schutz der Umwelt. Zentrale Voraussetzung hierfür ist vor allem die Freiheit der Forschung, die durch das Grundgesetz besonders geschützt ist und die nur zum Schutz anderer wichtiger verfassungsrechtlich geschützter Werte begrenzt werden kann. Alle Forschungstätigkeiten sollen grundlegenden ethischen Prinzipien, wie der Gleichwürdigkeit von Menschen, Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit genügen und diese respektieren. Vom Forschungsdesign bis zur Dissemination/Veröffentlichung der Ergebnisse ist es wichtig, die Autonomie der Person zu bewahren, indem jegliche Ausbeutung, Diskriminierung oder zur Stigmatisierung führendes Verhalten sowie dazu führende Handlungen vermieden werden. Darüber hinaus ist die gerechte Verteilung von Forschungsnutzen sowie dadurch entstehende Belastung zu gewährleisten. Eine erfolgreiche Grundlagenforschung erfordert weiter die Transparenz, den freien Informationsaustausch sowie die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen. In Erweiterung zur Freiheit der Forschungsgemeinschaft ist die Forschung der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung verpflichtet und – als Konsequenz – ist auch die Öffentlichkeit zu unterrichten.

Mit den Erfolgen einer freien und transparenten Forschung gehen jedoch auch Risiken einher. Diese resultieren nicht nur unmittelbar aus eigenem fahrlässigem oder vorsätzlichem Fehlverhalten von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen. Daneben besteht bei einzelnen Forschungen die mittelbare Gefahr, dass – für sich genommen neutrale oder nützliche – Ergebnisse durch andere Personen zu schädlichen Zwecken missbraucht werden. Diese Belange werden als missbräuchliche oder auch fahrlässige Verwendung „Malevolent Use“ bezeichnet. ‚Malevolent use‘ verweist auf Forschung, die trotz harmloser Intentionen und Zielen gut begründete Bedenken dafür liefern kann, dass diese Forschung Wissen, Produkte und Techniken liefert, die missbräuchliche Verwendung nahe legen und nimmt dies in Kauf2.  Es hat sich bewährt, die Begriffe missbräuchliche Verwendung von Forschung von “Dual Use” Forschung zu unterscheiden. ‘Dual Use‘ bezieht sich auf zweifache Verwendungsweise von Forschung, militärische3 und zivile. In der heutigen Diskussion finden sich Unterscheidungen zwischen ziviler versus militärischer, friedlicher versus nicht-friedlicher, legitimer versus illegitimer und wohlwollender versus missbräuchlicher oder fahrlässiger Verwendung.1

Diese Möglichkeit des „Malevolent Use/Dual Use“ erschwert oder verhindert heute in vielen Bereichen eine klare Unterscheidung von „guter“ und „böser“ Forschung, von Zivil- und Rüstungsforschung, von Verteidigungs- und Angriffsforschung sowie von Forschung für „friedliche“ und für „terroristische“ Anwendungen. Die „Malevolent Use/Dual Use“-Problematik muss auch in der wissensgetriebenen Grundlagenforschung beachtet werden, deren Resultate oft nicht vorhersehbar sind und deren Ergebnisse deswegen per se nicht gut oder schlecht sind. In diesem komplexen Spannungsfeld von Nutzen und Risiken ist die Forschung an der Universität Konstanz dem Wohl der Menschheit und dem Schutz der Umwelt verpflichtet. Der Wissenschaftler und die Wissenschaftlerin müssen deswegen eine – unmittelbare und mittelbare – Schädigung von Mensch und Umwelt so weit wie möglich vermeiden oder vermindern. Sie sollen deswegen neben der Machbarkeit der Forschung nach Möglichkeit auch deren Folgen und ihre Beherrschbarkeit berücksichtigen. Der Forschung an der Universität Konstanz sind damit nicht nur rechtliche, sondern auch ethische Grenzen gesetzt.

2. Bedenkliche Bereiche fahrlässiger und missbräuchlicher Verwendung von Forschung beziehen sich exemplarisch auf:- Forschung, die Wissen, Material und Techniken bzw. Technologien bereitstellt, die für kriminelle und terroristische Aktivitäten adaptiert werden können.

- Forschung, die die Entwicklung von biologischen Waffen und ihre Verbreitung zur Folge haben.

- Forschung, die zur Entwicklung oder Verbreitung anderer Waffen, z.B. chemischer, radiologischer/röntgenologischer oder nuklearer Waffen beiträgt.

- Forschung, die zur Entwicklung von Überwachungstechnologien beiträgt, welche in der Folge negative Auswirkungen auf Menschen- und Freiheitsrechte haben. Beispielsweise indem sie in den persönlichen Privatbereich einbrechen oder die Versammlungsfreiheit einschränken und damit den oben genannten ethischen Prinzipien widersprechen.

- Forschung, die unter Verwendung von Techniken der Datenanalyse (data merging, data mining) in Widerspruch zu Menschen- und Freiheitsrechten (z.B. Meinungsfreiheit und Schutz der Privatsphäre) steht.

- Forschung an Minderheiten oder gefährdeten Gruppen sowie Forschung, die die Entwicklung von sozialer, verhaltensbezogener oder genetischer Profilbildung ‚Profiling‘ enthält, die bei falscher oder fahrlässiger Anwendung Stigmatisierung, Diskriminierung, Belästigung oder Einschüchterung zu Folge hat.


3. Militärische Anwendung bezieht sich auf die Verwendung von Materialien, die Generierung von Wissen und Technologien, wie im Anhang I der Verordnung (EG) Nr. (428/2009) des Rates der EU vom 5. Mai 2009 sowie in der ‚gemeinsamen Militärgüterliste‘ der EU (2012/C 85/01) dargestellt. Militärische Geschäfts- oder Forschungspartner sollen bei ihrer Beteiligung offen legen, in wie weit es sich bei der Entwicklung neuer Technologien, Produkte und der Gewinnung von Wissen um direkte Anwendungsgebiete für militärische Zwecke handelt. Um den Forschungszwecken aus freien Stücken zustimmen zu können muss (gemäß der Vertragsgerechtigkeit) für alle Beteiligten transparent sein, ob eine Zusammenarbeit mit Gruppen oder Personen besteht, die aktiv in bewaffneten Konflikten involviert sind, oder diese mit ihren Handlungen unterstützen, indem ihnen Wissen, Produkte und Technologien aus Forschungsprojekten zur Verfügung gestellt werden.

B. Rechtliche und ethische Grenzen der Forschung

Die Grenzen der Forschung werden zunächst durch rechtliche Normen bestimmt. Diese können zum Schutz wichtiger verfassungsrechtlich geschützter Güter die Forschungsfreiheit begrenzen, wenn dies verhältnismäßig ist. Die einschlägigen Bestimmungen haben dabei unterschiedliche Zielsetzungen und Ansatzpunkte: Sie können Forschungsziele ausschließen (z.B. die Entwicklung von Atom- und Biowaffen), Methoden reglementieren (z.B. für bestimmte Experimente am Menschen) oder den Export von Wissen, Dienstleistungen und Produkten in bestimmte Länder untersagen (z.B. im Rahmen des deutschen Außenwirtschaftsrechts oder der EG-Verordnung 428/2009 für die Ausfuhrkontrolle von Gütern und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck). Diese Regelungen sind in der Universität Konstanz strikt einzuhalten. Verstöße gegen sie können zu erheblichen Sanktionen, langwierigen Verfahren sowie einem Reputationsverlust des Wissenschaftlers oder der Wissenschaftlerin, ihrer Arbeitsbereiche und der Universität Konstanz führen.

Das staatliche Recht ist jedoch nicht immer in der Lage, Risiken und Missbrauchsmöglichkeiten der Forschung vollständig und effektiv zu normieren. Der potentielle Missbrauch einzelner Forschungen kann insbesondere nicht dadurch verhindert werden, dass Forschung per se unter einen Generalverdacht gestellt und staatlich umfassend reguliert wird. Selbst detaillierte gesetzliche Regelungen würden den differenzierten und sich rasch ändernden globalen Problemen von gebietsspezifischen Risiken nicht ausreichend Rechnung tragen und darüber hinaus leicht in Konflikt mit der verfassungsrechtlich garantierten Forschungsfreiheit geraten.

Die einzelnen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen dürfen sich daher nicht mit der Einhaltung der gesetzlichen Regelungen begnügen, sondern müssen weitergehende ethische Grundsätze berücksichtigen. Sie sollen dabei ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre Fähigkeiten einsetzen, um die einschlägigen Risiken einer Schädigung von Mensch und Umwelt zu erkennen und abzuschätzen. In kritischen Fällen müssen sie eine persönliche Entscheidung über die Grenzen ihrer Arbeit treffen, die sie im Rahmen ihrer Forschungsfreiheit selbst verantworten. Dies kann dazu führen, dass Vorhaben, auch wenn sie gesetzlich nicht verboten sind, im Einzelfall nur in modifizierter Form oder überhaupt nicht durchgeführt werden.

Die nachfolgenden – von Senat und Rektorat der Universität Konstanz beschlossenen – Regeln unterstützen die in der Universität Konstanz tätigen Personen bei der Umsetzung dieser Grundsätze. Sie sind kein staatlich durchsetzbares Recht. Sie sollen vielmehr mittels einer „ethischen Leitlinie“ im Wege der Selbstregulierung Missbrauch der Forschung verhindern und Risiken vermeiden, gleichzeitig aber auch ein Verfahren zur Verfügung stellen, mit dem die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen ethische Zweifelsfragen besser lösen und dadurch auch dem Vorwurf unethischen Verhaltens vorbeugen können.

II. Regelungen für verantwortungsvollen Umgang mit Forschungsfreiheit und Forschungsrisiken an der Universität Konstanz

A. Allgemeine Zielsetzung und Anwendungsbereich

1. Zielsetzung

Die vorliegenden Regeln sollen im Wege der Selbstregulierung mit einer ethischen Leitlinie Missbrauch der Forschung verhindern und Risiken vermeiden. Sie schaffen dazu auch ein Verfahren, mit dem der Forschenden ethische Zweifelsfragen besser lösen und dadurch dem Vorwurf unethischen Verhaltens vorbeugen kann.

2. Anwendungsbereich

Die Regeln gelten für alle, die an der Universität Konstanz oder mit deren Mitteln an anderer Stelle wissenschaftlich arbeiten. Sie sollen von den Forschenden auch bei einer beratenden wissenschaftlichen Tätigkeit außerhalb der Universität Konstanz berücksichtigt werden. Bei ihrer Anwendung ist der Status der verschiedenen Forschenden (Professoren und Professorinnen, Juniorprofessoren und Juniorprofessorinnen, Nachwuchsgruppenleiter und -leiterinnen, Akademische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, Doktoranden und Doktorandinnen, Gastwissenschaftler und Gastwissenschaftlerinnen) und der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu berücksichtigen. Der Status dieser Personen kann Einfluss auf deren Forschungsfreiheit und ein eventuelles Weisungsrecht ihnen gegenüber haben.

3. Verhältnis der Regelungen zu anderen Vorschriften

Die vorliegenden Regeln treten neben die „Regeln zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ vom 08.12.1998. Rechtliche Bestimmungen gehen den vorliegenden Bestimmungen sowie anderen Maßnahmen der Selbstregulierung vor.

B. Rechtliche Grenzen der Forschung – Selbstverpflichtung

Für die an der Universität Konstanz tätigen Forschenden gilt das deutsche Recht. Darüber hinaus ist das Völkerrecht zu beachten.4 Rechtsvorschriften gelten nur, soweit sie nicht gegen höherrangiges oder vorrangiges Recht (insbes. international geltende Menschenrechte) verstoßen.

Für die Einhaltung der geltenden rechtlichen Regelungen ist jeder Wissenschaftler und jede Wissenschaftlerin selbst verantwortlich. Sie haben sich über die für sie und ihr Forschungsgebiet geltenden Vorschriften zu vergewissern und für ihre Einhaltung im Rahmen ihrer Zuständigkeit Sorge zu tragen. Eine Unkenntnis des geltenden Rechts entlastet sie in aller Regel nicht.

Die Universität Konstanz unterstützt die Forschenden bei der Einhaltung der rechtlichen Vorschriften (vgl. unten D.2).

Neben den rechtlichen Bestimmungen sind die Forschenden auch gehalten, weitere Richtlinien und andere Regelungen der Universität Konstanz zu beachten, die zur Sicherung eines verantwortungsvollen Umgangs mit Forschungsrisiken und zur Vermeidung von wissenschaftlichem Fehlverhalten erlassen wurden. Sie sollen Selbstverpflichtungen der Universität Konstanz auch als Verpflichtungen und Leitfaden für ihr eigenes Handeln betrachten. 

4. z. B. Schutz der Menschenrechte, humanitäres Völkerrecht, Kriegsvölkerrecht, Folter- und Gewaltverbot, Biodiversitäts-Konvention.

C. Grundsätze ethisch verantwortbarer Forschung

1. Allgemeiner Grundsatz

Die Forschung an der Universität Konstanz dient der Wissensvermehrung und ist dem Wohl der Menschheit und dem Schutz der Umwelt verpflichtet. Der Wissenschaftler und die Wissenschaftlerin haben deswegen eine – unmittelbare und mittelbare – Schädigung von Mensch und Umwelt so weit wie möglich zu vermeiden oder zu vermindern. Die Forschenden dürfen sich bei einschlägigen Entscheidungen nicht mit der Einhaltung der rechtlichen Regeln begnügen, sondern sie haben auch ethische Grundsätze zu beachten. Ihnen muss die Gefahr des Missbrauchs von Forschung grundsätzlich bewusst sein. In kritischen Fällen müssen sie eine persönliche Entscheidung über das bei ihrer Forschung Verantwortbare treffen.

Ein verantwortlicher Umgang mit Forschung umfasst im Falle missbrauchsgefährdeter Forschung insbesondere die nachfolgend angesprochenen Maßnahmen: das Erkennen und Minimieren von Forschungsrisiken, den sorgfältigen Umgang mit Veröffentlichungen, die Dokumentation von Risiken sowie Maßnahmen der Aufklärung und Schulung. Diese Maßnahmen sollen die Forschung allerdings nicht unzulässig behindern und stehen daher unter dem Vorbehalt ihrer Möglichkeit und Verhältnismäßigkeit. Das Prinzip der Proportionalität impliziert, dass jede beteiligte Maßnahme ein legitimes Ziel hat. Die Maßnahme muss dem Erreichen des Ziels angemessen sein und es muss unter Einbeziehung konkurrierender Werte, Rechte und Interessen betroffener unterschiedlicher Individuen und Gruppen, notwendig mit vernünftigen Gründen abgewogen werden.

2. Risikoanalyse

Die Kenntnis der möglichen Risiken ist die Voraussetzung dafür, dass Forschung verantwortlich erfolgen kann. Eine zentrale Voraussetzung für die Vermeidung oder zumindest die Kontrolle von Forschungsrisiken ist daher – sowohl in der grundlagenorientierten als auch in der angewandten Forschung – die Bewusstmachung der einschlägigen Gefahren. Die Forschenden sollen deswegen so weit wie möglich die Folgen sowie die Einsatz- und Missbrauchsmöglichkeiten ihrer Arbeiten und deren Beherrschbarkeit mitbedenken. Potentiell risikobehafteten Forschungsvorhaben soll daher eine Prüfung der mit ihnen verbundenen Risiken für die Menschenwürde, für Leben oder Gesundheit von Menschen, für die Umwelt und für andere wichtige verfassungsrechtlich geschützte Güter vorausgehen. Das Erkennen von Forschungsrisiken betrifft nicht nur die Risiken des eigenen Verhaltens. Die Forschenden sollen darüber hinaus bei missbrauchsgefährdeten Arbeiten auch die Folgen ihrer Forschung berücksichtigen, die sie zu neutralen oder nützlichen Zwecken durchführen, deren Ergebnisse dann jedoch von anderen Personen zu schädlichen Zwecken eingesetzt oder missbraucht werden können. Risikoanalyse und Folgenabschätzung verlangen daher Offenheit des Denkens und Verantwortung.

Für die Forschenden kann es insbesondere angebracht sein, sich über den Kontext des Forschungsvorhabens oder über die Person eines Auftraggebers bzw. einer Auftraggeberin oder Kooperationspartners bzw. Kooperationspartnerin oder über deren Auftraggeber bzw. Auftraggeberin zu informieren.

3. Risikominimierung

Die Forschenden und alle anderen mitwirkenden Personen sollen die Risiken der Durchführung und der Verwendung ihrer Arbeiten für Menschenwürde, Leben, Gesundheit, Freiheit und Eigentum der Menschen sowie den Schutz der Umwelt so weit wie möglich minimieren. Diese Maßnahmen zur Risikominimierung sollen sowohl vor Beginn als auch während eines laufenden Forschungsvorhabens geprüft und durchgeführt werden. Dies kann dazu führen, dass Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt oder dass die Vertraulichkeit der Forschungsergebnisse durch physische, organisatorische und personelle Schutzmaßnahmen sowie eine größere Rechnersicherheit verbessert werden. Das Transparenzgebot steht derartigen Sicherungen und Zugriffsbeschränkungen nicht entgegen, da es nicht verlangt, dass Forschungsergebnisse jederzeit und jedermann zugänglich sind (vgl. auch C.4).

Bei missbrauchsgefährdeter Forschung sind die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie die Kooperationspartner oder Kooperationspartnerinnen sorgfältig und auch unter Berücksichtigung ihrer Verlässlichkeit und ihres Verantwortungsbewusstseins auszuwählen.

Soweit staatliche Stellen Aufgaben der Sicherheitsüberprüfung erfüllen, bietet sich etwa bei Risiken einer Proliferation von sicherheitsrelevanten Forschungsergebnissen eine entsprechende Zusammenarbeit an.

Maßnahmen zur Risikominimierung können auch darin bestehen, dass einzelne Forschungen nur für oder nur mit bestimmten Kooperationspartnern und -partnerinnen durchgeführt werden. Auch wenn internationale Kooperation ein Grundprinzip erfolgreicher Forschung ist, kann sich unter dem Aspekt der Risikominimierung daher im Einzelfall eine Einschränkung der internationalen Zusammenarbeit oder ein Verzicht auf Partner und Partnerinnen oder Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus bestimmten Staaten empfehlen. Anhaltspunkte für Staaten, bei denen ein Missbrauch bestimmter Forschungsergebnisse zu befürchten ist, können sich aus den nationalen und internationalen Vorschriften und Listen über Ausfuhrbeschränkungen ergeben.

4. Veröffentlichungen

Einer verantwortlichen und frühzeitigen Prüfung bedürfen – bereits vor Projektbeginn – in Bereichen von risikoreicher Forschung die möglichen Folgen einer Veröffentlichung der Ergebnisse. Dies gilt besonders dann, wenn leicht umsetzbare Forschungsergebnisse ohne zusätzliches Wissen und ohne aufwendige Umsetzungs- und Anwendungsprozesse zu spezifischen Gefahren oder großen Schäden führen können. In diesen Fällen kollidieren Sicherheitsinteressen mit den in der Universität Konstanz geltenden Grundsätzen der Transparenz, des freien Informationsaustauschs sowie insbesondere der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen. Die vorgenannten Grundsätze gelten auch, wenn Angehörige der Universität Konstanz als Herausgeber von Zeitschriften oder Büchern tätig sind. In derartigen Positionen sollen sie in entsprechenden Risikobereichen darauf hinwirken, dass die Publikation von Forschungsergebnissen sowie die Politik der von ihnen unterstützten Verlage und anderen Institutionen mit den hier genannten Grundsätzen vereinbar ist. Deren Austausch und deren Veröffentlichung sind wichtige Faktoren für den wissenschaftlichen Fortschritt. In vielen Risikobereichen ermöglicht die Offenlegung von Ergebnissen auch die Entwicklung von Schutzmaßnahmen (z.B. Impfstoffe im Gesundheitswesen oder Antivirenprogramme in der Informatik). Eine Unterdrückung von Forschungsergebnissen kann demgegenüber dazu führen, dass ein wirksamer Schutz gegen ihre missbräuchliche Anwendung durch totalitäre Regime, terroristische Gruppen, organisierte Straftäter oder Einzeltäter nicht möglich ist. Die Gebote der Transparenz und der Kommunikation schließen nicht aus, dass der Wissenschaftler und die Wissenschaftlerin bestimmte Risiken ihrer Forschung durch eine Modifikation der Kommunikation und der Veröffentlichung ihrer Ergebnisse minimieren. Sie können die Ergebnisse ihrer Arbeiten auch nicht sofort, sondern zeitlich verzögert publizieren. Bei Forschungsergebnissen mit einem hohen Missbrauchspotential können in speziellen Fällen die für einen Missbrauch besonders relevanten Teilergebnisse von der Publikation ausgenommen werden. Die Forschenden können einzelne Ergebnisse ihrer Arbeiten in besonderen Fällen auch nur mit bestimmten Personen teilen. Ein völliger Verzicht auf Kommunikation und Veröffentlichung der Forschungsergebnisse kommt als ultima ratio in Betracht. Er ist nur in speziellen Einzelfällen – eventuell auf bestimmte Zeit – gerechtfertigt. Forschung, die von Anfang an unter dem Siegel gegenständlich umfassender und zeitlich unabsehbarer Geheimhaltung steht, ist mit dem Selbstverständnis der Universität Konstanz unvereinbar. 

5. Verzicht auf nicht verantwortbare Forschung als ultima ratio

Primäres Ziel der Risikoanalyse ist eine verantwortliche Durchführung und Kommunikation der Forschung. Im Einzelfall kann die verantwortliche Entscheidung des Forschenden allerdings als ultima ratio zur Folge haben, dass eine bestimmte Forschung mit einem nicht zu begrenzenden und unverhältnismäßigen Risikopotential nicht durchgeführt wird, selbst wenn ihr kein gesetzliches Verbot entgegensteht. Bei Arbeiten, die neben positiven auch schädliche Wirkungen haben können, sind insbesondere im Bereich der Dual Use-Forschung, Kriterien für eventuelle Grenzen schwer zu bestimmen und anzuwenden. Die nach der Definition von möglichen Schutzmaßnahmen erforderliche ethische Bewertung der verbleibenden Risiken kann jedoch durch die Beantwortung der Frage unterstützt werden, ob bei einer entsprechenden Abwägung der potentielle Schaden den potentiellen Nutzen der Forschung übersteigt. Bei dieser Abwägung sind sowohl die Höhe des möglichen Schadens als auch das Risiko des Schadenseintritts zu berücksichtigen. In Fällen mit drohenden Gefahren sollte abgeschätzt werden, wie hoch ein eventueller Schaden wäre, wie wahrscheinlich das Schadensrisiko ist, ob die Forschungsergebnisse unmittelbar für schädliche Zwecke einsetzbar sind oder ob schwierige Umsetzungsprozesse erforderlich sind, und ob die Verwendung der Ergebnisse beherrschbar ist. Entscheidungserheblich kann auch sein, wer Kooperationspartner, Auftraggeber, Nutzer oder Finanzier der Forschung ist. Muss davon ausgegangen werden, dass bestimmte missbrauchsgefährdete Forschungsvorhaben von anderen Stellen ohne entsprechende Sicherheitsstandards oder zu missbräuchlichen Zwecken durchgeführt werden, kann Forschung mit dem Ziel der Abwehr solcher Gefahren bzw. der Minimierung von daraus drohenden Schäden akzeptabel sein.

6. Dokumentation und Mitteilung von Risiken

Wenn Forschungen zu Risiken für die Menschenwürde, für Leben oder Gesundheit von Menschen, für die Umwelt oder für andere wichtige verfassungsrechtlich geschützte Güter führen, so sollen diese Risiken, ihre Abwägung mit dem voraussichtlichen Nutzen und die zu ihrer Minimierung getroffenen Maßnahmen vor Beginn und bei Veränderungen auch während der Arbeiten dokumentiert werden. Bei entsprechenden Risiken sollten Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen die Dokumentation vor Beginn der Forschung der Kommission für Verantwortung in der Forschung oder dem Prorektor oder der Prorektorin für Forschung zur Kenntnis bringen. In Forschungsanträgen an die Universität Konstanz und an andere Förderinstitutionen soll auf entsprechende Risiken und Maßnahmen zu ihrer Minimierung hingewiesen werden. Dabei sind die vorgesehenen Maßnahmen darzustellen.

7. Schulung und Aufklärung

In Arbeitsgruppen und vor allem in der Schulung des wissenschaftlichen Nachwuchses der Universität Konstanz sollen Grundsätze eines verantwortungsvollen Umgangs mit Forschungsrisiken vermittelt und vorgelebt werden. Dabei soll auch auf die fachspezifischen Regeln zur Risikominimierung im jeweiligen Forschungsgebiet eingegangen werden. Soweit Forschende der Universität Konstanz an Universitäten oder anderen Institutionen unterrichten, sollen sie auch dort dazu beitragen, das Bewusstsein für diese Fragen zu wecken und zu schärfen. Es wäre empfehlenswert, wenn Studierende unterschiedlicher Ausbildungsstufen mit den für sie relevanten forschungsethischen Fragen konfrontiert würden. Dies könnte in der Anforderung gemäßen Kursen oder auch im Betreuungsverhältnis zwischen PhD-Studierenden und Betreuenden ermöglicht werden.

D. Organisatorische Regeln

1. Verantwortliche Personen

Die Prüfung einer Vereinbarkeit der Forschung mit rechtlichen Vorschriften, Maßnahmen der Selbstregulierung und ethischen Grundsätzen obliegt zunächst den für ein Forschungsprojekt zuständigen Forschenden. Bei weisungsgebundenen Tätigkeiten sind die jeweiligen Vorgesetzten verantwortlich. Diese sind verpflichtet ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, Doktoranden und Doktorandinnen im Rahmen deren Betreuung und studierenden Hilfskräfte spätestens anlässlich der Bewerbung oder den Beginn der übertragenen Tätigkeit auf bestehende Forschungsrisiken im Hinblick auf deren ethische Verantwortbarkeit hinzuweisen.

Die beteiligten Forschenden sollen primär den verantwortlichen Forschenden, sofern im Einzelfall erforderlich aber auch den Leiter oder die Leiterin einer Einrichtung, den Fachbereichssprecher oder die Fachbereichssprecherin sowie in besonderen Fällen den Prorektor oder die Prorektorin für Forschung auf geschehene oder bevorstehende Rechtsverstöße sowie auf ethische Bedenken hinweisen, ohne dass ihnen dadurch Nachteile entstehen dürfen.

Die vorliegend genannten Grundsätze gelten entsprechend, wenn Forschende als Gutachter bei der Evaluation von Projekten anderer Forschender tätig sind. In derartigen Positionen sollen sie in Risikobereichen darauf achten, dass Forschungsanträge eventuelle Risiken der Forschung erörtern und minimieren.

Die wissenschaftlich tätigen Mitglieder der Universität Konstanz können sich bei Fragen nach den rechtlichen Grenzen der Forschung an das Justitiariat und bei Fragen nach den ethischen Grenzen an die Kommission für Verantwortung in der Forschung wenden. Die Ombudsperson kann ebenfalls Ansprechpartner der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für Fragen der Forschungsrisiken und der Forschungsethik sein. Es werden dabei Regularien zum Schutz von „Whistleblowern“ erlassen.

Verstößt Forschung gegen rechtlich verbindliche Vorschriften, ergreift das Rektorat die erforderlichen Maßnahmen.

2. Ombudsperson

Der Senat bestellt eine Ombudsperson. Die Ombudsperson berät als Vertrauensperson Personen, die bei bestimmten Forschungsvorhaben Forschungsrisiken geltend machen.

3. Kommission für Verantwortung in der Forschung

Zur Beratung von Angelegenheiten, die sich aus der Umsetzung dieser Regeln ergeben, wird eine „Kommission für Verantwortung in der Forschung“ gebildet. Diese steht den an der Universität Konstanz tätigen Forschenden bei Fragen der Forschungsethik zur Verfügung, vermittelt bei einschlägigen Meinungsverschiedenheiten zwischen Forschenden und kann Empfehlungen zur Durchführung von Forschungsprojekten abgeben. Die Kommission strebt in Konfliktfällen eine Konsenslösung an. Sie kann zu diesem Zweck ggf. unter Beteiligung Dritter ein Mediationsverfahren durchführen.

Die Kommission besteht aus sechs Personen.

Ihr gehören je ein Hochschullehrer oder eine Hochschullehrerin aus jeder Sektion, ein Akademischer Mitarbeiter oder eine Akademische Mitarbeiterin, ein Studierender oder eine Studierende sowie die Ombudsperson mit beratender Stimme an.

Die Mitglieder der Kommission werden auf Vorschlag der Senatsvertreter und -vertreterinnen der jeweiligen Gruppe bzw. der Dekane oder Dekaninnen vom Senat bestellt. Für jedes Mitglied wird ein Stellvertreter oder eine Stellvertreterin bestellt. Die Amtszeit beträgt zwei Jahre, die des studierenden Mitglieds ein Jahr. In den einzelnen Verfahren zur Bewertung von Forschungsprojekten gehört der Kommission auch der Dekan oder die Dekanin der betroffenen Sektion an. Die Kommission kann in begründeten Fällen die Mitwirkung eines Vertreters oder einer Vertreterin der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen beschließen sowie fachkundige Personen hinzuziehen.

Die Kommission kann (nicht stimmberechtigte) Sachverständige zu ihren Beratungen hinzuziehen. Sie kann zur Aufklärung eines Sachverhalts Auskünfte verlangen und geeignete Auskunftspersonen persönlich oder schriftlich befragen.

Die Kommission kann von jedem und jeder projektbeteiligten oder projektverantwortlichen Forschenden mit der Prüfung befasst werden, ob ein geplantes oder laufendes Projekt mit den vorliegenden Regeln vereinbar ist. Bei Zweifeln über die Vereinbarkeit einer Forschung mit den vorliegenden Ethikregeln kann sie auch vom Rektorat sowie bei Vorliegen eines berechtigten Interesses von jedem an der Universität Konstanz wissenschaftlich Tätigen, von jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin, Doktoranden und Doktorandin  und Studierenden der Universität Konstanz  sowie von externen Kooperationspartnern angerufen werden. Bei anonymen Hinweisen entscheidet die Kommission über die die Aufnahme eines Prüfungsverfahrens.

Jeder und jede verantwortliche Forschende ist über Zweifel an der Vereinbarkeit ihrer Forschungen mit den vorliegenden Regeln unverzüglich zu informieren und von der Kommission anzuhören. Sie haben das Recht, jederzeit eine schriftliche oder mündliche Stellungnahme abzugeben und die entsprechenden Unterlagen soweit für eine Stellungnahme erforderlich einzusehen. Sie sind über die wesentlichen Verfahrensschritte der Kommission zu informieren und können an Anhörungen und Befragungen teilnehmen. Über die abschließende Empfehlung der Kommission und der sie tragenden Gründe sind sie unverzüglich durch Übersendung der schriftlichen Stellungnahme der Kommission zu unterrichten.

Eine Empfehlung der Kommission über die Vereinbarkeit oder Nichtvereinbarkeit von Forschung mit diesen Regeln bedarf einer Mehrheit ihrer Mitglieder. Bei Stimmengleichheit entscheidet in allen Abstimmungen die Stimme des oder der Vorsitzenden. Das Gleiche gilt, wenn die Kommission auf der Grundlage der vorliegenden Regeln Empfehlungen über die Art und Weise der Durchführung eines Forschungsvorhabens oder dessen Nichtdurchführung abgibt. Tritt dieser Fall ein kann von jedem Mitglied ein Sondervotum erstellt werden.

Die genannten Entscheidungen kann die Kommission auf der Grundlage eines Vorschlags des Berichterstatters oder der Berichterstatterin im schriftlichen Verfahren (auch per E-Mail) treffen, wenn der oder die Betroffene(n) zuvor zu dem Vorschlag des Berichterstatters oder der Berichterstatterin Stellung nehmen konnte(n).

Für die Kommission wird im Rahmen dieser Bestimmungen durch den Senat eine Geschäftsordnung beschlossen.

Die Kommission erstellt einen jährlichen Bericht für den Senat.

Der Text basiert auf den „Hinweisen und Regeln der Max-Planck-Gesellschaft zum verantwortlichen Umgang mit Forschungsfreiheit und Forschungsrisiken“ vom 19. März 2010.

Bei Fragen rund um das Thema wenden Sie sich bitte an die Universitätskommission „Verantwortung in der Forschung”.