Alte übereinandergelegte Schriftstücke. Darauf liegt ein Tintenfass und mehrere Füllfederhalter.
Mittelalterliches Leben nach alten Texten. Copyright: Alexandra Rehn

Zeitreise ins Mittelalter: Erlebnistag auf der Reichenau

Die Sprachwissenschaftlerin Regine Eckardt von der Universität Konstanz und ihre Studierenden laden dazu ein, das Leben der Mönche auf der Klosterinsel Reichenau nachzuvollziehen. Am 27. April 2024 heißt es im Museum Reichenau in Mittelzell: Geschichten hören, Ausstellung bestaunen und einfach mitmachen.

Alte Manuskripte dienen den BesucherInnen des Mitmach- und Ausstellungstags „Reisen in Raum und Zeit“ als Reiseführer ins Mittelalter. Am Samstag, 27. April 2024, bringen sie allen Interessierten im Museum Reichenau das damalige Leben auf der Insel, aber auch die Sprache und deren Veränderung näher. Das Programm von 10.00 bis 17.00 Uhr haben Studierende der Sprachgeschichte an der Universität Konstanz zusammengestellt, die sich im vergangenen Semester mit alten Texten aus dem klösterlichen Umfeld im Bodenseeraum auseinandergesetzt hatten. „Wir haben einige alte Quellen ausgesucht und die zugänglichsten Teile daraus für die Besucher aufbereitet – als Comics, als Ratespiele, als Postervorträge oder direkt als Lese-Challenge mit Belohnung für die lesefesten Besucher und Besucherinnen“, erzählt Regine Eckardt, Professorin für Allgemeine und Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Konstanz. 

Gallus Öheim: Chronik schreiben als neue Jobperspektive
Verschiedene Zeitreisestationen regen beispielsweise dazu an, das Wissen über das Mönchsleben im Mittelalter zu testen, die eigenen Kenntnisse im Althochdeutschen zu prüfen oder aus der Chronik des Gallus von Öheim von der Reichenau zu übersetzen – eine von Eckardts Lieblingsschriften. Nach vielen Jahren Predigtdienst und Seelsorge offenbar ein wenig amtsmüde, so die Linguistin, durfte der Priester Öheim sich an seinem Lebensabend mit dem Schreiben einer Reichenauer Klosterchronik beschäftigen. Über diese Art Geschichtsbuch auf Deutsch sagt Eckardt: „Wenn man Öheims Vorwort liest, kann man gut spüren, wie erleichtert er über diesen Rückzug in die Schreibstube ist – und wie sehr er gleichzeitig betont, dass er keineswegs nur faulenzt. Ausdrücklich schreibt er, er wolle nicht ‚ain dürs, fuls und wurmstößig gelide, undankbarlich und unerkantlich‘ sein – also kein teures, faules und wurmiges Glied der Kirche sein, das undankbar und unerkenntlich sein Gehalt weiter beziehe, das übrigens damals ewangelischer pfening hieß.“ 

Wenn auch solche Chroniken offensichtlich aus einer anderen Zeit stammen, bieten sie doch die eine oder andere – ursprünglich mündlich überlieferte – Skandalgeschichte, von denen es so manche in sich hatte: etwa die Geschichte vom Abt, der sich vom Boot aus mit Konstanzer Fischern eine handfeste Prügelei geliefert haben soll; hier bleibt zu erwähnen, dass die Gegenseite den Vorfall in ihren eigenen Chroniken ganz anders darstellt.

Abwechslung ist Programm
Wer genug solche Geschichten gehört hat, kann sich im Skriptorium, ebenfalls im Museum Reichenau, selber mit Feder und Tusche versuchen oder sich ein Lesezeichen mit seinem Namen machen lassen. Auch die Namen und ihre richtige Schreibung waren im achten Jahrhundert ein großes Thema auf der Reichenau. Und für alle Dialektfreunde sind Belege dafür zu sehen, dass das Alemannische am Bodensee damals eine der gebildetsten Sprachen im deutschen Sprachraum war. 

Schließlich lädt an diesem Tag auch eine Vorversion des Spiels Campus Galli zum Testspielen ein. Steffen Bogen, Kunstwissenschaftler an der Universität Konstanz und Spieleentwickler, bringt den Prototyp, der im Herbst beim Huch!-Verlag in Günzburg erscheinen wird, mit auf die Reichenau. Dieser dreht sich um den auf der Insel entstandenen St. Galler Klosterplan und ist in Zusammenarbeit mit der Stiftsbibliothek in St. Gallen und dem Campus Galli in Meßkirch entstanden. Die BesucherInnen dürfen schon mal vorab „ihre Findigkeit“ an diesem Spiel versuchen. 

Der Veranstaltungstag „Reisen in Raum und Zeit“ findet im Rahmen der großen Landesausstellung 2024 „Welterbe des Mittelalters – 1300 Jahre Klosterinsel Reichenau“ statt, die vom Badischen Landesmuseum vom 20. April bis 20. Oktober 2024 ausgerichtet wird, an den Standorten Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg in Konstanz und Insel Reichenau.  

Alle Programmpunkte am 27. April 2024 sind auf der Website zum Jubiläumsjahr nachzulesen.