Equal Pay Day
In Deutschland verdienen Frauen im Schnitt 18 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Überträgt man das auf Tage eines Jahres, haben Frauen bis zum 6. März 2024 (Equal Pay Day) unbezahlt gearbeitet. Konstanzer Forschende des Exzellenzclusters "The Politics of Inequality“ zeigen in einem Policy Paper auf, wie sich der Gender Pay Gap reduzieren lassen würde.
Der Gender Pay Gap betrug in Deutschland 2023 rund 18 Prozent und ist damit seit fünf Jahren in Folge unverändert. Hochgerechnet auf ein Erwerbsleben von 40 Jahren ergibt sich damit für Frauen ein Lohndefizit von 340.000 Euro. Obwohl Führungspositionen und Jobs in gut bezahlten Branchen nach wie vor überproportional männlich besetzt sind, ist der Frauenanteil in diesen Bereichen in den vergangenen fünf Jahren deutlich gestiegen. Das müsste eigentlich eine Reduzierung des Gender Pay Gaps zur Konsequenz haben – warum dem nicht so ist, erklärt ein neues Policy Paper von Forschenden der Universität Konstanz.
Einzigartige Datengrundlage
Für ihre Studie haben Sophie Moser, Doktorandin am Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“, und Florian Kunze, Professor für Organizational Behavior und Principal Investigator, die Gehaltsdaten von rund 1.780.000 Erwerbspersonen ausgewertet. Dazu kombinierten sie die Gehaltsinformationen auf einer Arbeitgeberplattform mit den öffentlich zugänglichen Informationen von Unternehmen, wie beispielsweise den Frauenanteil in Führungsorganen. „Die daraus resultierende Datengrundlage ist einzigartig, da sie einen Lohnvergleich von Personen in der identischen Job-Position, wie Beruf und Führungsverantwortung, mit arbeitsmarktrelevanten Eigenschaften, beispielsweise Arbeitserfahrung in Jahren, ermöglicht, und zusätzlich den Vergleich verschiedener Unternehmen zulässt“, erklärt Moser.
Handlungsempfehlungen
Die AutorInnen stellen fest: Auch wenn Frauen die gleiche (Berufs-) Erfahrung mitbringen und in der gleichen Position arbeiten, verdienen sie weiterhin weniger als ihre männlichen Kollegen. Das widerlegt das Argument, Frauen würden aufgrund längerer Unterbrechungen in ihrer beruflichen Laufbahn weniger Gehalt bekommen. Moser und Kunze analysierten daraufhin, welche Maßnahmen ArbeitnehmerInnen, Unternehmen und politische Akteure ergreifen müssten, um mehr Geschlechtergerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen. Dazu geben sie folgende Handlungsempfehlungen:
- Für ArbeitnehmerInnen
Insbesondere weibliche Arbeitnehmerinnen müssen für die bestehende Lohnungleichheit sensibilisiert werden. Es gibt mittlerweile mehrere Gesetze, die Unternehmen dazu verpflichtet, Gehaltsinformationen offenzulegen. Diese Gehaltstransparenz sollten ArbeitnehmerInnen für regelmäßige Gehaltsverhandlungen nutzen.
- Für Unternehmen
Unternehmen sollten bindende Gehaltsregelungen einführen, die für alle Beschäftigten gleichermaßen angewendet und offen kommuniziert werden. So kann sichergestellt werden, dass der Lohn nicht vom Verhandlungsgeschick einzelner Personen abhängt. Die Daten legen außerdem nahe, dass familienfreundliche Strukturen zu einer Verringerung des Gender Pay Gap beitragen.
- Für politische Akteure
Erfüllen Unternehmen in ihren Aufsichtsräten die gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote von 30 Prozent, hat das noch keine positiven Auswirkungen auf die Reduzierung der Lohnungleichheit. Hier ist erst bei Geschlechterparität im Aufsichtsrat ein positiver Effekt feststellbar, weshalb die gesetzliche Frauenquote angehoben werden sollte. Zudem ist ein deutlicher Unterschied beim Gender Pay Gap zwischen ost- und westdeutschen Bundesländern feststellbar: In Ostdeutschland sind die Kinderbetreuungsquoten deutlich höher, was für den Ausbau der Betreuungsstrukturen spricht.
Faktenübersicht
- Originalpublikation: Moser, Sophie und Kunze, Florian (2024). Parität, Transparenz, Familienfreundlichkeit – wie sich der Gender Pay Gap reduzieren ließe. Policy Paper 14, Cluster of Excellence „The Politics of Inequality”.
- Ein Überblick zu den bisher veröffentlichten Policy Papers ist hier zu finden: Policy Papers
- Der 6. März markiert 2024 den Equal Pay Day in Deutschland. Die Kampagne, gefördert vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend, will auf die Differenz von 18 Prozent im Bruttostundenverdienst zwischen Männern und Frauen aufmerksam machen.
- Datengrundlage: Die Studie basiert auf Gehaltsinformationen von 1.780.008 Erwerbspersonen, bereitgestellt im Rahmen einer Projektkooperation der Arbeitgeber-Bewertungsplattform Kununu. Zusätzlich wurden öffentlich zugängliche Informationen zu den jeweiligen Firmen hinzugezogen. Die 1.780.008 Erwerbspersonen (davon 617.545 weiblich) arbeiten in 152.717 unterschiedlichen Unternehmen, verteilt auf 42 verschiedenen Branchen.
- AutorInnen:
- Florian Kunze ist Inhaber der Professur für Organizational Behavior und Principal Investigator des Exzellenzclusters „The Politics of Inequality“.
- Sophie Moser ist Doktorandin am Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ und forscht im Clusterprojekt „Integration@work“.
- Der Exzellenzcluster „The Politics of Inequality” an der Universität Konstanz erforscht aus interdisziplinärer Perspektive die politischen Ursachen und Folgen von Ungleichheit. Die Forschung widmet sich einigen der drängendsten Themen unserer Zeit: Zugang zu und Verteilung von (ökonomischen) Ressourcen, der weltweite Aufstieg von PopulistInnen, Klimawandel und ungerecht verteilte Bildungschancen.